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Einsamkeit

Ein Schmerz, der sich mit einfachen Taten heilen lässt

Verfasst von Kip Sloane

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Ich bin im 84. Lebensjahr und leide an sogenannten Altersdepressionen. Da macht man sich auch Gedanken darüber, ob man überhaupt noch gebraucht wird. Ich habe deswegen auch versucht, mir mein Leben zu nehmen.
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Als ich im Sommer diesen Auszug aus dem offenen Brief von Wolfgang Grupp, dem Gründer von Trigema, las, haben mich diese offenen Worte sehr gerührt und nachdenklich gemacht. Diese Worte sowie zwei weitere Erlebnisse aus dem zurückliegenden Jahr haben mich dazu bewegt, den diesjährigen Epilog zu einem Thema zu schreiben, welches in Deutschland 6 von 10 Menschen betrifft – die Einsamkeit. Es sind Menschen wie Sie und ich: die eigene Mutter, die sagt, dass alles ok ist, der nette Nachbar, der stets freundlich die Pakete entgegennimmt, oder selbst das Kind, dem man jeden Tag auf dem Weg zur Schule begegnet.

Wie kann es sein, dass ein erfolgreicher Unternehmer, der gerade seine Firma an seine Kinder übergeben hat und zufrieden auf sein Lebenswerk schauen könnte, einen Suizidversuch begeht? Warum kann der Gedanke, nicht mehr gebraucht zu werden, so erdrückend sein, dass sich die schlimmsten Folgen daraus ergeben? Und warum ist ein Mensch durchaus freundlich nach außen, aber innerlich so leer?

Warum rührt mich das Bild eines Mannes, der einsam seinen Geburtstag feiert, so sehr? Ich spreche hier von einem Video der Komikerin Carolin Kebekus, das die ARD vermutlich sehr bewusst zur besten Sendezeit in der Pause eines Fußballspiels zeigte, um eine nachdenkliche Botschaft »Was tun gegen Einsamkeit?« zu platzieren. Ich schaue diesen Clip, während ich diese Zeilen schreibe, zum fünften Mal. Das Bild dieses einsamen Mannes am Geburtstagstisch berührt mich abermals zutiefst. Wenn ich ehrlich bin, und das sollten wir bei dem Thema alle sein, dann bin ich zu Tränen gerührt. Schauen Sie selbst – dann wissen Sie sicher, was ich meine.

Wie häufig passiert es einem, dass man einen Menschen, dem man eigentlich sehr nah steht, wegen eines beliebigen Grundes vertrösten muss? Ich kann mich davon nicht freisprechen und muss mir selbst zugestehen, dass es mir in den letzten Jahren häufiger passiert ist, als es mir selbst lieb ist – und das bewegt mich. Es macht mich selbst traurig zu sehen, wie wir uns selbst so sehr nach etwas sehnen, was wir anderen so freimütig vorenthalten: Echte Nähe – Aufmerksamkeit und reale Interaktion.

Geselligkeit für Senioren

Einsamkeit kann nachweislich krank machen – Wirken Sie dem entgegen und haben Sie ein offenes Ohr für Ihre Liebsten!

Und doch nutzen wir auch, wenn sich die Chance ergibt, immer seltener die Momente, die sich bieten. Warum? Weil wir »Besseres« zu tun haben und uns beständig mit vermeintlich Wichtigem ablenken. Vor kurzem stieß ich zufällig auf ein Video von Simon Sinek, einem britisch-US-amerikanischen Autor und Unternehmensberater. Es ging um Smartphones und die Wirkung, die dessen Nutzung auf das eigene Umfeld hat. Die Grundaussage: Wir geben Menschen in unserem Umfeld bei kontinuierlicher Nutzung des Handys, die ganze Zeit – und das nicht sehr subtil – die klare Botschaft »Du bist mir gerade nicht wichtig. Was du mir gerade erzählst, ist nicht wichtig und ich würde mich gerade lieber mit etwas anderem beschäftigen.« Selbst der sehnsüchtige Blick nach dem Smartphone, welches man vor sich auf dem Tisch aufgebaut hat, ist eine Herabwürdigung meines Gegenübers. Ein Entzug der Nähe und Aufmerksamkeit, die wir uns doch eigentlich so häufig wünschen.

Der Brief und die beiden Videos hallen nach und haben für mich persönlich dazu geführt, dass ich versuche, mich dem Thema Einsamkeit und vor allem dem Gegenteil von Einsamkeit, der Gemeinschaft oder der Nähe, bewusster zu widmen.

Das Konzept gegen Einsamkeit

Wir kennen hunderte tragische und unglaublich emotionale Geschichten darüber, wie einsam das Altern macht. Wie Schritt für Schritt Partner, Freunde, Familie und am Ende alle Gesprächspartner verschwinden. Wie der Paketbote der einzige Kontakt an einem schlechten Tag wird und wie es immer schwieriger wird, überhaupt aufzustehen oder dem Tag irgendeine Freude abzugewinnen.

Dem möchte ich aber auch etwas entgegensetzen. Unser Konzept bei der SCHÖNES LEBEN Gruppe besteht aus einem gemeinschaftlichen Wohn- und Lebensgefühl. Wir möchten, dass Menschen sich begegnen, (neu) kennenlernen und ihre Einsamkeit verlassen. So blicke ich mit viel Stolz auf die Gemeinschaften, die wir schaffen. Wenn ich zum Beispiel am Abend das Büro verlasse, kommt mir das hallende Lachen an der Bar schon entgegen. Gemeinsame Stunden, das Auffordern zum Tanzen, der Austausch, das Neuentdecken geliebter Unternehmungen. Das alles entwickelt sich in unseren Häusern und trägt einen kleinen Beitrag zu einer gesellschaftlichen Herausforderung bei. Und dabei geht es nicht nur um neue Bekanntschaften. Wir können auch die romantischsten und seifenopernentsprungenen Geschichten erzählen.

Es sind die lebensfrohen Damen, die in Gotha die Eierlikör-Bestände dezimieren und mir an meinem ersten Arbeitstag freudestrahlend, untergehakt und giggelnd entgegenkamen. Die Mittagsrunde in Gladbeck, bei der mich ein Tisch von vier älteren Herrschaften mein ganzes Leben lang genüsslich auf meine Kochunfähigkeit hin ansprechen werden, nur weil ich einmal in der Not den Schweinebraten versaut habe. Die Dame in Erftstadt, die einsam und depressiv in ihrem Haus lebte, bis sie hierherzog und sich noch einmal neu verliebte. Die packenden Erzählungen unserer Reihe »Erzählte Wege«, bei der beispielsweise der erste Gastarbeiter von VW darüber berichtete, wie es für ihn war, in ein fremdes Land zu kommen – ganz allein. Oder die topfitte Dame, die unsere Anlage in Wuppertal dem Sehnsuchtsort in Spanien vorzieht – einfach, weil hier wieder mehr echte Begegnungen zu erwarten sind. Einsamkeit ist nicht immer heilbar – eine unheilbare Diagnose eines unserer jüngsten Bewohner in Neu-Ulm zum Beispiel wird immer eine Beklemmung bleiben – trotzdem sind Möglichkeiten der gemeinsamen Teilhabe auch hier ein Balsam.

Aktivitäten für Senioren

Begegnungen, die Freude und Austausch schaffen, sind der Antrieb für ein erfülltes Leben jeden Alters

Wir können diese Orte der Begegnung aktiv gestalten. Wir können bei der SCHÖNES LEBEN Gruppe Anlaufpunkte schaffen, aber Sie können dies auch in Ihrem privaten Leben machen und Nähe schaffen, für die Leute, deren Nähe uns beflügelt. In diesem Sinne möchte ich es wie Carolin Kebekus halten – melden Sie sich mal wieder bei Ihren Liebsten, hören Sie zu, was die Menschen zu sagen haben und laden Sie andere Menschen zu ernst gemeinten Konversationen ein. Mehr Bedeutung kann man einer Begegnung nicht verleihen und weniger Aufwand dafür, dass man einen echten Unterschied macht, hat man selten.

Kip Sloane

Kip Sloane ist ein wahrer Pflege-Branchenexperte. Seine Erfahrung sammelte er über zehn Jahre bei der Sozial-Holding – dem innovativen Träger der Altenhilfe – als Referent der Geschäftsführung und Controller, bei der in der Sozialwirtschaft renommierten Unternehmensberatung rosenbaum nagy, sowie im Rahmen seiner Beratertätigkeit.
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